... keep on living ... |
|
|
|
|
|
Kurze Geschichte der Musikindustrie
1890 – Erfindung des Grammophons
1930er – das Radio entwickelte sich zum Massenmedium, Musikindustrie hatte mit Umsatzrückgängen zu kämpfen, durch die wirtschaftliche Not verstärkt. Nachkriegsjahre – Welle der Innovation, Standardisierung der Aufnahmetechnik, rapides Wachstum des Musikmarktes
1948 – Erfindung der Vinyl-LP
1958 – Erfindung des Stereoklanges
1963 – Erfindung der Kompaktkassette
Digitale Ära
1960 – Erfindung des Synthesizers von Robert Moog – Musik in Form binärer Codes digitalisiert
1982 – Entwicklung des MIDI-Standards (Musical Instrumental Digital Interface)
– Einführung der Compact Disc von Sony und Philips, Durchbruch von DAT (1. Digitales Audioband, DCC (digitale Compact Cassette) und MD (Sonys Mini-Disc) erfolglos --> die Verkaufsförderung inkompatibler Formate fördert entweder ihre Standardisierung, das Gegenteil führt zu Konsumverdrossenheit
1989 – Entwicklung der Grundlage des WWW (durch Tim Burners-Lee und Robert Cailliou)
Der Zusammenhang Bandbreite für die Übertragung, verfügbare Speicherkapazität und Rechenleistung führt zur Notwendigkeit für ein effizientes Kompressionsverfahren bei großen Dateivolumen
– Patentierung des ersten MP3-Programms (Kodierverfahren, verlustbehaftetes Kompressionsverfahren) durch Karlheinz Brandenburg (Frauenhofer Institut Erlangen für Digitale Medientechnologie). Ein alles umfassendes MP3-Patent gibt es nicht --> ISO MPEG 1 Layer III (MP3) – Datei um das 10-fache verkleinert --> heute auch auf Handys, DVD, CD-Playern abspielbar
Andere Kompressionsformate: WMA (Microsoft), AAC (Apple), ATRAC (Sony) benötigen jeweils kompatible Hard- und Software, auch verschiedene Onlinedienste verwenden eigene Audioformate mit entsprechenden Playern – MUSICLOAD – Musicload-Player, POPFILE – Popfile-Player
1993 – Start von IUMA (Internet Underground Music Archiv) – Idee von Jeff Patterson, Rob Lord und Jon Luini – Musik im MP3-Format mit dem Ziel, aufstrebenden Künstlern eine Plattform anzubieten – Idee wurde bald von anderen aufgegriffen
1998 - nachdem sich der MP3-Standard sechs Jahre lang hatte unbelastet etablieren können, verlangt FhG/Thomson Lizenzgebühren für die Nutzung des MP3-Formats
1999 – NAPSTER geht online – Ziel: Tausch von MP3-Musikdateien über das Internet. NEU: Peer-to Peer-System (P2P-System). Die Napster-Software meldet alle MP3-Dateien eines Rechners an einen zentralen Server im Internet. Der Server meldet als Ergebnis einer Suchanfrage die IP-Adresse des angeschlossenen Rechners. Beide Clients verbinden sich dann und tauschen direkt. Innerhalb von 2 Jahren entstand die größte Musikdatenbank mit ca. 1 Mrd. Titeln, ohne ökonomische Anreize, Marketingaktivitäten und vor allem ohne die Beteiligung der Musikindustrie --> Schätzung: 1998-2000 20% weltweiter Absatzrückgang im CD-Verkauf, besonders dort, wo es zahlreiche Breitbandanschlüsse gibt.
2000 – Klage der Musikindustrie und einzelner Bands (z.B. Metallica) gegen NAPSTER – Auf Grund der zentralen Serverstruktur konnten die Betreiber für die Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden. Ende 2000 sah endlich auch die Musikindustrie das Internet als Chance und Warner, EMI, BMG… starteten das gemeinsames Musikportal „Musicnet“, wenig später startete Sony und Universal „Pressplay“ … wurden beide kein Erfolg (Kunden kaufen nicht nach Labels, sondern schätzen ein möglichst großes Angebot, auch die Nutzungsbedingungen waren zu restriktiv)
2001 – NAPSTER abgesetzt. Neue P2P-Netzwerke, die auf einen zentralen Server verzichten und die Rechner direkt verbinden
2001 - Start von iTunes Music Store (ab 2003 auch für Microsoft Windows). Als vermeintlicher Außenseiter vermochte es die Lifestylemarke, der Computerhersteller Apple, als erstes das komplette digital verfügbare Repertoire aller großen Labels und einer Vielzahl an Independent-Labels in einem Downloadportal für Apple-Kunden anzubieten. Die Labels hatten für den kleinen, aber betuchten Kreis von Apple-Kunden offenbar nicht so große Bedenken bezügl. Piraterie und akzeptieren auch alle das Apple DRM-System „Fairplay“. Mit einem besonders ansprechenden Design der Homepage und gelungener Benutzerführung hob sich der iTunes Music Store von allen anderen ähnlichen Plattformen ab. Der große Erfolg von i-tunes hatte den Beweis angetreten, dass das digitale Musikgeschäft in ökonomisch interessanten Größenordnungen funktionieren konnte, trotz seiner geringeren Nutzungseinschränkungen und billigeren Preise
2005 – Klagen der Musikbranche gegen die Nutzer und vor allem gegen die Betreiber illegaler P2P-Netzwerke – tragen Mitschuld an den Copyright-Verletzungen ihrer Nutzer -->
2006 – 20.000 Klagen --> Ziel --> Nutzer zu legalen Musikportalen zu bringen --> wären teurer, aber sicherer (Viren, Spyware), weniger Zeitaufwendig
2007: Digitale Audioformate in der Reihenfolge ihrer Klangqualität: WAVE/AIFF – FLAC – Ogg Vorbis – AAC – MP3 – WMA. Digitale Audioformate in der Reihenfolge ihrer Verbreitung: WAV/AIFF – MP3 – WMA – AAC – Ogg Vorbis – FLAC (Lt. www.musiverkaufen.de: Die digitale Musikwirtschaft / hrsg. Tina Rodriguez… München: Musikmarkt, 2007) wobei WAV/AIFF der Standard für unkomprimierte Audio-CDs ist und MP3 im Bereich der Downloads die Vorherrschaft hat, da es das meistverwendete Format illegaler Downloads ist und auch zu den meisten Soft- und Hardwareplayern kompatibel ist). (Es gibt spezielle Downloadshops die unkomprimierte Audiodateien im WAV oder FLAC-Format für eine spezielle Klientel anbieten (z.B.: DJs, die für die leistungsstarken Anlagen in Clubs bessere Tonqualität bevorzugen. Die Preise sind hier auch etwa doppelt so teuer als in den anderen Onlineshops)). EMI startet mit DRM-freien Songs.
2008: Einnahmen der Musikindustrie aus digitalen Verkäufen: ca. 2,8 Mrd. €, 20% der Umsätze der Tonträgerindustrie. 1,4 Mrd. legale Downloads. 95% der Downloads seien lt. ifpi (International Federation of the Phonographic Industry) illegal (40 Mrd. Songs) (Ifpi Digital Music Report 2009). Zuwachs beim digitalen Musikverkauf: 25% (2007 noch 40%). Es gibt mittlerweile ca. 500 Seiten, die legalen Musikdownload anbieten (von ca.6.000.000 Songs) (Ifpi Digital Music Report 2008).
2009: Appels iTunes Store will ab dem 2.Quartal alle Songs DRM-frei anbieten. Neu: Gegen eine Gebühr (aktuell 15€ können) Fans mittels eines iTunes-Passes sämtliche schon vorhandenen und zukünftigen Songs einer Gruppe herunterladen. Ein Schritt Richtung Musik-Abonnement. Nokia will mit seinem Musikdienst „Comes with Music“ auch in Österreich starten. Ungeklärt ist dabei noch wer den Datentransfer bezahlt.
Kreation -> Produktion -> Vertrieb -> Marketing
Der Einsatz der neuen Kommunikationstechnologie bewirkt in der Internet-Ökonomie eine Senkung der Transaktionskosten auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseiten.
Logistik- und Vertriebsstrukturen der Tonträgerhersteller entfallen, auch Kosten der Musikproduktion sind stark gesunken. Preiswerte Computer und neue Soft- bzw. Hardware ersetzen die teure analoge Musikausrüstung der Tonstudios, so dass Künstler qualitativ hochwertige Aufnahmen selbst erstellen können. Durch sinkende Distributionskosten können Nischenmärkte, die zuvor unrentabel waren, besser bedient werden --> kann zu einer größeren Musikvielfalt führen, auch älteres und seltener Gefragtes kann so wieder rentabel angeboten werden. Immer haben in Zeiten technischen Umbruchs die kleineren Independantlabels einen Aufschwung erlebt, wahrscheinlich können kleinere Strukturen schneller auf neue Entwicklungen reagieren. Noch unbekannte Künstler können auch ohne Hilfe der großen Konzerne etwa über „Mundpropaganda“ auf Social Networking Sites oder über Super-Distribution erfolgreich sein.
1) Kommerzielle Peer to Peer (P2P) – Netzwerke – C2C
(z.B. MASHBOXX, WEEDSHARE)
Die Musikindustrie hat ein Interesse daran, die P2P-Technologie zur legalen Distribution zu kommerzialisieren, weil sie ein signifikantes Potential für zukünftige Märkte sieht. Konsumenten sorgen selbst für den Vertrieb --> Distributionskosten sinken und besonders attraktiv ist hier auch die Reichweite für Werbekontakte (KAZAA erreichte wie bei einer populären TV-Sendung mitunter bis zu 4 Mill. Nutzer die gleichzeitig online waren (Kouretsidis, Takis: Der digitale Musikmarkt: Erfolgsfaktoren für Onlinemusikdienste. Hamburg, Diplomica Verl. 2007)). Das Unternehmen SNOCAP (vom NAPSTER-Gründer Shawn Fanning) liefert die für die kommerzielle Nutzung von P2P-Netzwerken notwendige Technologie. Mit Hilfe dieser lassen sich Musiktitel anhand ihres digitalen Fingerabdrucks identifizieren und in Kombination mit einer Registrierungsdatenbank kann gleichzeitig bestimmt werden, ob es sich um eine urheberrechtlich geschützte Datei handelt.
Entwicklung und Geschäftsmodelle stehen hier noch am Anfang. Doch 2006 wurden mit der Musikindustrie zahlreiche Verträge abgeschlossen und erste Zahlungsmodelle für Filesharing eingeführt. Zurzeit (März 2009) befindet sich MASHBOXX allerdings noch im Betastadium, der Entwicklung, Weedshare gibt es mittlerweile nicht mehr. Das Prinzip scheint sich nicht durchzusetzen.
2) Digital Application Software Provider (DASP) od. auch nur DSP – B2B
z.B. LOUDEYE (ehem. OD2) – US-Firma, 24-7 MUSICSHOP – N-Amerika, Europa, MUSICLOAD (gehört zu T-Online) – größter dt. DASP – auch selbst als B2C tätig.
Funktion der neuen Intermediäre im B2B (Business to Business)-Bereich: Bereitstellung der technischen Plattform, die entweder intern entwickelt oder extern erworben werden muss. Tätigkeit des Anwendungssoftwareanbieters und Funktion des Großhändlers. Aggregation der Rechte für Musik von verschiedenen Labels und kundengerechte Kategorisierung --> bieten Onlinemusikdiensten eine effiziente Möglichkeit zum Erwerb eines breiten Katalogs für Onlinemusik.
Angebote: Lizenz- und Rechteverwaltung, Sortimentsaufbereitung, Abwicklung von Zahlungsvorgängen, DRM-Kodierung, Website-Gestaltung, Wartung der Datenserver, Bereitstellung der Metadaten (Cover, Bilder, Grafiken, Texte und andere redaktionell erstellte Informationen zu den Künstlern oder Musikrichtung) Umwandlung der verschiedenen von Labels oder anderen Anbietern angebotenen Formate in ein vom jeweiligen Onlineshop verwendeten Format, Erstellung von Prelistenings (kurze Musikstücke zum vorabhören für die Kunden).
3) Music Server Provider (MSP) – B2C
(z.B. NAPSTER, RHAPSODY, MUSICMATCH, APPLE I-TUNES (DASP und MSP) , MICROSOFT MSN MUSIC, MUSICLOAD (DASP und MSP))
MSP vertreiben Musikinhalte direkt an den Endkunden (B2C – Business to Custumer). Der Fokus liegt in marketingtechnischen Maßnahmen für das Musikportal, benötigt den Markenwiedererkennungswert, dessen Aufbau aufwendig und kostenintensiv ist. Marketingtechnisch vorteilhaft sind tragbare Abspielgeräte, die eng mit dem entsprechenden MSP verbunden sind, wie etwa I-Pod und I-Tunes, dazu bedarf es allerdings der Erfahrung der Elektronikbranche, die die wenigsten Anbieter mitbringen. Bei SONY CONNECT und MICROSOFT MSN MUSIC können mehrere Endgeräte benutzt werden. Viele MSPs bringen allerdings andere vorteilhafte Erfahrungen aus der digitalen Musikbranche mit, wie etwa Telekommunikationsdienste, Rundfunkanstalten, Technologieunternehmen, Konsumgüterindustrie (LIBRO), wobei der Onlinemusikdienst dann oft nicht das Kerngeschäft ist, sondern selbst Werbezwecken dient.
Es gibt drei unterschiedliche Zahlungsmodelle:
a) Abonnementsystem (Subscribtion-Services): ermöglicht gegen eine monatliche Abonnementgebühr Zugang zum gesamten Onlinemusikkatalogs. Entweder als Streamingmodell, das dem Kunden über ein Passwort erlaubt von jedem Computer den gesamten Katalog direkt übers Internet (der über die entsprechende Verwaltungssoftware verfügt) anzuhören, ohne die Musik auf der Festplatte zu speichern, oft kann man auch den Zugang zu Online-Radios „mieten“, oder aber das Download-Modell, bei dem der gesamte Katalog auf Festplatte heruntergeladen werden kann (bleibt so lange bestehen, wie man Mitglied ist). Wie die Einnahmen an die Künstler weiterverrechnet werden, ist allerdings unklar. Eigentlich bieten die meisten Anbieter dieser Systeme Bündelsysteme an (siehe Punkt c) Anbieter: NAPSTER, RHAPSODY
b) „Á la carte”-Modell: Einzelabrechnungssysteme, bei denen der Kunde für einzelne Musiktitel oder ein Album einen festgesetzten Preis zahlt. Einfach umsetzbar und transparent. Die Anbieter bieten neuerdings auch Hörbücher, Filme, TV-Serien und Podcasts an. Anbieter: APPLE I-TUNES, LIBRO. Ein ganz ausgezeichnetes Angebot bieten oftmals kleinere, aber sehr spezielle Anbieter, wie etwas die „Deutsche Grammophon“, bei der man die Files in ausgezeichneter Qualität (320 kbit/2 oder losless) kaufen oder als Stream (für 7 Tage) mieten kann, das Booklet gibt es als PDF-Datei dazu, zumindest auf der Homepage ausgezeichnete Angaben zum Aufnahmedatum, Aufnahmeort, erstes Erscheinungsdatum.
c) Bündelsysteme: bieten sowohl das Abonnementsystem an, als auch gegen eine Extragebühr das „á la carte“-Modell an. Erfüllt die typischen Bedürfnisse der Kunden – einerseits ein möglichst großes Angebot zum Anhören, das man nicht unbedingt kaufen muss und in einer schnelllebigen Zeit vielleicht auch nicht kaufen will und andererseits Musik zum Sammeln. Anbieter: MUSICLOAD, NAPSTER
4) Neue Geschäftsideen und Trends
a) Onlinemusik direkt vom Künstler zum Endverbraucher:
z.B. Musikportal von Prince oder David Bowie – hat sich bisher nicht breit durchgesetzt, da der technische, organisatorische und damit auch finanzielle Aufwand nur von finanzstarken Künstlern geleistet werden kann
b) Aggregatorenmodell: Intermediäre die für Künstler ohne Plattenmodell eine Vertriebsplattform anbieten und sich um Konvertierung, Sortierung und Abrechnung der Musikdateien kümmern. Der Künstler muss nur die Produktionskosten tragen und profitiert vom Bekanntheitsgrad der Plattform. Die Künstler werden dabei überdurchschnittlich hoch am Umsatz beteiligt. z.B.: FAIRTUNES, MAGNATUNE, www.rebeatdigital.com (ein österreichisches Software- und Vermittlungsangebot)
c) Mobile Music Services (MMS): effiziente Datenübertragungssysteme, erweiterte Speicherkapazität und verbesserte Akkuleistung ermöglichen digitale Musik auch auf Handys – entweder als Streamingmodell oder zum Downloaden. Anbieter sind Mobilfunkbetreiber und neuerdings auch Handyhersteller (z.B. Nokia)
d) Superdistribution: Eine Art von Pyramidensystem, der Käufer verkauft das erkaufte Produkt wieder weiter. Durch diese Wiederverkaufsmotivation für die Käufer wird der potentielle Konsumentenkreis beträchtlich erweitert, denn der Einfluss von Peer-Groups auf Social Networking Sites und Weblogs im Web 2.0 ist groß. Über jene Seiten lässt sich der Bekanntheitsgrad eines Künstlers massiv steigern (z.B. Rockgruppe Arctic Monkeys, über MySpace zum Erfolg).
Während sich mittlerweile wohl alle Labels prinzipiell auf MP3s eingelassen haben, gibt es mittlerweile ein neues Format, ein anderes Verfahren für die Verbreitung von Musik über Internet: FLAC (Free Lossless Audio Codec) der Xiph.org Foundation, ein freies, nicht durch Softwarepatente geschützter Codec, mit verlustfreier Audiokompression, die die WAV- oder AIFF-Audiodateien um ca. 50% reduziert (die Datenkompression ist abhängig von der Komplexität des Musikstücks). FLAC (.flac) ist streaming-fähig und mit einer großen Zahl von Freeware-Playern kompatibel.
Wie beim Video, der CD, der DVD und wie seit kurzem auch bei der Blue-Ray könnte auch bei den Audioformaten oder / und bei DRM eine Einigung auf einen verbindlichen Industriestandard und / oder der gänzliche Verzicht auf DRM bei Kauftiteln eine weitaus größere Verbreitung legaler digitaler Musikdownloads überaus fördern.
Mit zunehmend größeren Speichern auch bei Privatcomputern und immer besseren Breitband-Internetanschlüssen muss eine schlechtere Tonqualität nicht mehr hingenommen werden und so denke ich, dass über kurz oder lang kompressionsbehaftete Audioformate „aussterben“ sollten, da sie unnötig sein werden. Qualität könnte wieder einen größeren Stellenwert erhalten.
Ein interessanter Aspekt bezüglich des Konfliktes Musikindustrie versus „Musikpiraterie“ ergibt sich, wenn man sich ähnliche Situationen bei der Einführung eines neuen Mediums in der Geschichte der Medien ansieht: Als in den 30er Jahren das Radio Einzug hielt, bangte die Musikindustrie um ihr Geschäft, hatte anfangs auch tatsächlich Einbußen zu verzeichnen, klagte die Radiobetreiber, schließlich zog der Staat mit Gesetzten nach – so kam es letzten Endes zur Einführung von Lizenzen für das unbeschränkte „Streaming“-Modell des Radios mit einer Abgabepflicht an die Urheber. Als es zur Einführung von wiederbespielbaren Tonbändern kam prozessierte die Musikindustrie abermals, wieder beklagte sie sich, diese würden die Musikindustrie ruinieren, wieder kam es zu Pflichtabgaben an die Urheber bei jedem Kauf von Tonbändern, Kassetten. Als in den 60er Jahren ein Dorf in den USA die erste Antenne für den Empfang von TV-Sendern aufstellte, das gleiche Prozedere… Fernsehanstalten beschwerten sich jahrelang wegen Piraterie, klagten, schließlich regulierte ein Gesetz die Lage. In allen Fällen hat eine neue Technik der Industrie nicht geschadet (besonders auch bei der Einführung der CD), sondern einen Aufschwung beschert. Ein Internet-Streaming-Modell, das eigentlich dem Radio ähnlich ist, das ja auch unbeschränktes Zuhören erlaubt, wie es seit Jahren zur Diskussion gestellt wird, etwa in David Kuseks Buch „Die Zukunft der Musik“ wäre meines Erachtens nur allzu logisch. Vielleicht beginnt die Zukunft ja demnächst: Auf der MIDEM, der größten internationalen Musikmesse in Cannes hat im Jänner 2009 ein Vertreter der Regierung der Isle of Man eine automatische Abgeltung von KünstlerInnen für alle Breitbandanschlüsse angekündigt, der alle Downloads, egal von welcher Quelle, legal und kostenlos machen würde – die Isle of Man spielte bisher auch schon eine Vorreiterrolle z.B. bei der großzügigen Förderung von Breitbandanschlüssen. Der Regierungssprecher Ron Berry: „A lot of people in the business are concerned with how much money they are losing, but not with how much money they could make“. (http://www.nytimes.com/2009/01/26/business/worldbusiness/26music.html?_r=2&scp (Artikel in der New York Times vom 26.1.2009)) (Abgesehen davon ist das Argument der Musikindustrie, jeder illegale Download sei ein verlorenes Geschäft prinzipiell unhaltbar, wie mehrere empirische Untersuchungen 2004 durch Oberholzer und Strumpf (http://www.unc.edu/~cigar/papers/FileSharing_March2004.pdf (1.3.2009)), 2007 durch Andersen und Frenz (http://www.heise.de/newsticker/Forscher-bezweifeln-negativen-Einfluss-von-Filesharing-auf-CD-Verkaeufe--/meldung/98469 (1.3.2009)), 2009 Studie, von niederländischen Ministerien in Auftrag gegeben (http://www.ivir.nl/publicaties/vaneijk/Ups_And_Downs_authorised_translation.pdf (4.3.2009) und http://futurezone.orf.at/stories/1503026/ (4.3.2009)), eindrucksvoll belegen). Die technischen Voraussetzungen z.B. für ein automatisches Erkennen eines verwendeten Files für eine korrekte Abrechnung an die entsprechenden Künstler sind durch die ISRC (International Standard Recording Code (ISRC, ISO 3901), eine eindeutige zwölfstellige digitale Kennung (Beispiel: DEA239810012), vergleichbar der ISBN, für einen CD-Titel, die beim Premastering einer CD-Audio im Subcode eingetragen und ungehört mitgeführt werden kann) schon gegeben.
Noch wehrt sich die Musikindustrie mit Händen und Füßen, pendelt zwischen Jammern und Aufbruchsstimmung, im Digital Music Report 2009, am 16.Jänner 2009 veröffentlicht, kündigt die Musikindustrie eine verstärkte Zusammenarbeit mit den ISPs bezüglich Piraterie an – Vorreiterrolle spielt dabei Frankreich, Präsident Sarkozy hat derartige Pläne angekündigt (Digital Music Report 2008 (Download von http://www.ifpi.org/)) (und sieht dabei eine mehrmalige Mahnung auffälliger Nutzer vor und letztendlich eine vollkommene Sperre bei allen ISPs). Ein meiner Meinung nach äußerst fragwürdiges Vorgehen, da das Recht auf Information sogar in den Menschenrechten verankert ist. Ob der Zugang zum Internet für Einzelne generell verboten werden kann ist dann doch eine ethische und juristische Frage. Da möglicherweise beinahe jeder musikbegeistere Internetbenutzer wissentlich oder auch unwissentlich schon einmal etwas illegal heruntergeladen hat, stellt sich doch die Frage, inwieweit es sich ein Staat erlauben kann und inwieweit es sinnvoll ist, den Großteil der Bevölkerung zu kriminalisieren (die Situation erinnert auch ein wenig an die Zeit der Prohibition in Amerika in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts). Und es sind nicht nur die Konsumenten, die der Musikindustrie überaus kritisch gegenüberstehen, sondern auch die Künstler selbst (und nicht nur die überwiegende Anzahl unbekannter Künstler), von denen sich aber wohl nur wenige öffentlich zu diesem Thema äußern. Courtney Love hat sich nicht gescheut drastische Worte zu finden: “Today I want to talk about piracy and music. What is piracy? Piracy is the act of stealing an artist's work without any intention of paying for it. I'm not talking about Napster-type software. I'm talking about major label recording contracts.” (http://archive.salon.com/tech/feature/2000/06/14/love/ (8.3.2009))
Mittlerweile scheint aber auch die Musikindustrie über Sinn und Möglichkeiten bisheriger und möglicher zukünftiger Vertriebswege nachzudenken. Zwar sind die Umsatzzahlen der CD-Verkäufe in den letzten Jahren tatsächlich auf beinahe die Hälfte zurückgegangen, allerdings von einem überaus hohen Niveau, was zum Teil über ständig steigende Umsatzzahlen bei bezahlten Downloads wieder wettgemacht wird. Den größten Umsatz macht die Musikindustrie allerdings nicht durch CD-Verkäufe, sondern in weit größerem Umfang im Konzertwesen – Konzertveranstalter im Rock/Pop-Bereich erleben derzeit einen Boom. So wurde mittlerweile 2007 in einem Pilotprojekt damit begonnen Musik- und Filmdownloads als Werbemaßnahme z.B. für Konzerte anzubieten (NBC Universal und News Corp) (http://www.mediapost.com/publications/index.cfm?fa=Articles.showArticle&art_aid=57583 (1.3.2009)). Eine innovative Idee, die Schule machen könnte. Würde man Musik gänzlich freigeben, würden vor allem Musiker profitieren, die zu wenige Tonträger verkaufen um die Kosten für Produktion, Vertrieb, Werbung… wieder einzuspielen. Gratis angebotene Musik könnte den Bekanntheitsgrad und damit soziales Kapital steigern und die Chancen auf Konzertengagements und damit ökonomisches Kapital fördern. Mit einer Creative Commons Lizenz (entwickelt in den USA von Lawrence Lessig) können Urheber individuell festlegen welche Nutzungsrechte freigegeben werden wollen. Lt. MICA (Music Information Center Austria) würden 80% aller Musiker von solch einer Regelung stärker profitieren als vom herkömmlichen Urheberrecht, vom dem sie eher behindert als geschützt würden. (Huber, Michael: Digitale Musikindustrie und die Krise der Tonträgerindustrie S. 173. In: Musikrezeption, Musikdistribution und Musikproduktion. Wiesbaden, 2008)
1) Die Einigung auf ein Standardformat für Files aller Arten, das außerdem verlustfreie Qualität bietet, Verzicht auf DRM (ist ja mittlerweile schon fast überall wahr geworden).
2) Das Verständnis von Musik als Serviceleistung und nicht als Produkt (was auch im Sinne der Künstler wäre, die sich aus eigenem Interesse dafür auch einsetzen sollten, auch bei jenen gibt es unterschiedliche Ansichten, wie etwa Metallica, die zu den Klägern von Napster zählten, auf der anderen Seite aber etwa Michael Jackson und Einstürzende Neubauten, die für einen freizügigeren Zugang zu digitaler Musik plädieren (Becker, Birgit: Musikpiraterie in digitalen Räumen: Eine informationsethische Betrachtung. Saarbrücken: VDM, 2007. S. 39)). Für besonderes Service, etwa bessere Metadaten - Songtexte, generell genauere und vollständigere Daten – sind Kunden, wie man aus Erfahrung weiß, auch bereit mehr zu zahlen.
3) Interessant wäre vielleicht auch die Kombination der Stores mit Musik-Suchmaschinen wie etwa „notify“ oder „audentify“ das ein Musikstück erkennt, wenn man es vorsingt oder pfeift oder wenn man es von einem externen Gerät vorspielt.
4) Das Grundbedürfnis Musik zu hören sollte mit einer leistbaren Flatrate abgegolten sein (wird ja vielleicht demnächst auf der Isle of Man Wirklichkeit). Prinzipiell sind die derzeit üblichen Berechnungen mit 0,99€ für einen Song und 9,99€ für eine CD weit überhöht für ein Medium, für das keine Herstellungskosten für das physische Medium, kein Zwischenhandel, Einzelhandel, keine Transportkosten und Lagergebühren anfallen und das eine erwiesenermaßen schlechtere Qualität hat als eine CD. Für eine leistbare Flatrate hat sich z.B. auch die Songwriters Association of Canada (für 5$ pro Monat) (http://www.songwriters.ca/studio/proposal.php (4.3.2009)) ausgesprochen, auch Universal Music-Chef Doug Morris (der damit die Dominanz von Apple brechen will) plädiert zum selben Preis dafür (http://www.businessweek.com/magazine/content/07_43/b4055048.htm (4.3.2009)). Wie eine solche „Kultur-Flaterate“ jeweils auf die Künstler verteilt würde wäre dabei allerdings wichtig zu diskutieren.
5) Die Öffnung und Digitalisierung der Backup-Kataloge der Plattenfirmen.
6) Ein Urheberrechtsschutz, der spätestens mit dem Tode des Inhabers endet, so dass nicht meine Enkel den Enkeln eines Künstlers Abgaben zahlen müssen (ein Copyright ist im Prinzip einem Patent vergleichbar, dieses wird für maximal 20 Jahre vergeben). Dies scheint mir eine offensichtlich heikle Frage des Selbstverständnisses von Künstlern zu sein (von denen es kaum Stellungnahmen zum Thema gibt). Und es ist natürlich auch eine Frage von Besitztum an sich, Kapitalismus, Egoismus ... und gehört damit zu den Tabu-Themen unserer Zeit.
7) Den unseligen Ansatz, dass jeder Store in allen Ländern jeweils extra vertreten ist, abschaffen. Er führt den prinzipiellen Anspruch des Internets, die weltweite Verfügbarkeit, ad absurdum. In Zeiten der Globalisierung und der Kreditkarten und einem Medium, für das keine Transportwege (außer der Internetverbindung selbst, für die sowieso bezahlt werden muss) anfallen verstehe ich dieses Prinzip eigentlich überhaupt nicht. Es ist ja auch sonst möglich, etwas aus den USA zu bestellen, warum kann ich in Europa keinen Song bei Rhapsody oder amazon.com herunterladen, in Österreich nicht einmal von Napster.de?
8) Metadaten, die alle Daten, die es zu einem File gibt, enthalten – Komponisten, Texter (wichtig: als eigene Kategorie), mitwirkende Musiker, Aufnahmedatum, erstes Veröffentlichungsdatum, digital remastered?, Produzent, Aufnahmestudio, Label, die Geschichte hinter dem Lied, Liedtexte, Noten und und und…
9) Eine bessere Erfassung der Daten in allen Arten von Katalogen, besonders aber auch im Windows Mediaplayer oder iTunes (es wäre schon fein, wenn man die Vorteile des Mediaplayers mit den Vorteilen von iTunes verbinden könnte und man die verschiedenen Unzulänglichkeiten der Player beseitigen könnte). Fein wäre es auch wenn man eigene Felder generieren könnte mit eigenen Parametern (wenn es schon KEIN Anbieter schafft einen Player zu schaffen der keine Unzulänglichkeiten hat).
10) Die Möglichkeit in Katalogen sinnvolle Suchkriterien zu kombinieren um nicht 90% sinnlose Treffer zu erhalten. Es ist schon klar, dass die Firmen vor allem verkaufen wollen und einem offenbar auch das anzeigen wollen was man gar nicht gesucht hat, aber ich habe auf diese Art und Weise so gut wie nie etwas ungeplantes gekauft, aber vielleicht schon oft nicht gefunden was ich gesucht habe (weil dies dann vielleicht erst auf Seite xx aufgelistet war). Auch dieses Problem betrifft alle Arten von Katalogen, auch Bibliothekskataoge, speziell möchte ich vielleicht Amazon und den iTunes store erwähnen, in letzteren kann man z.B. in das Suchfeld nicht einmal etwas Kopiertes einfügen sondern muß alles extra tippen.
11) Eine Preispolitik, bei der es nicht nur ums abzocken geht! Für ein Produkt, das erwiesenermaßen eine schlechtere Qualität hat wie eine CD oder auch eine LP, mit wesentlich geringerem Infomaterial, für das wesentlich geringere Kosten in der Distribution anfallen, wobei obendrein die Kosten für Speicherplatz in den letzten 10 Jahren massiv gefallen sind, gleich viel oder sogar mehr zu verlangen ist ...! Anfang 2009 hat Apple angekündigt dass die Preise für manche Files höher werden (um 30%!), dafür aber andere billiger würden (bis dahin alle Titel um 0,99). Eine kurze Stichprobe zeigt die Situation im Jänner 2011: Lady Gaga: nahezu alle Titel um 1,29. Tampa Red: von beinahe 1,000 Titeln gezählte 29 Titel um 0,69, 4 Titel um 1,29, der Rest 0,99. Mamie Smith (hier sind vielleicht auch schon Urheberrechte weggefallen!) alle Titel um 0,99 €. (Früher konnte man auch in den iTunes Stores anderer Länder schnuppern, damals waren die $-Preise gleich hoch wie die €-Preise, was einen deutlich höheren Preis in Europa bedeutet - derzeit habe ich keine Vergleichsmöglichkeit). Lage bei Amazon (.de und .com): Lady Gaga: 0,97-0,99 €, meist 0,99 bis 1,29 $ (MP3-Album gleich teuer bis ein wenig billiger, als Einzeltitel gekauft deutlich teurer! als die CD). Tampa Red um 0,84-0,99 €, 0,69-0,99 $ (im Fall bestimmter Labels ist der Download ganzer Alben deutlich billiger als die CD). Mamie Smith 0,77-0,98 € oder alle Titel um 0,99 $. Ich finde es eigentlich erstaunlich, dass der legale Markt für MP3-Download überhaut wächst. Ich persönlich kaufe MP3s gelegentlich, kaufe aber nach wie vor lieber CDs (vor allem aber aus Gründen der besseren Qualität (rippe auch in besserer Qualität als die angebotenen MP3-Downloads) und wegen der erhofften Information in Booklets)
Nachsatz: Ich habe in dieser Arbeit zwei Aspekte zum Thema der digitalen Musikangebote nur gestreift: Den rechtlichen und den ethischen Aspekt. Beide Aspekte sind nicht in Kürze abzuhandeln und wären eine eigene Arbeit wert. Zur rechtlichen Sichtweise gibt es zahlreiche Literatur, vor allem im Internet selbst. Das Urheberrecht bzw. Copyright (was nicht wirklich dasselbe ist) stellt sich vor allem auf die Seite der Urheber, deren Rechte verteidigt werden sollen (die selbst „Musikpiraten“ ja nicht prinzipiell in Frage stellen). Die ethische, speziell informationsethische Seite steht bislang noch im Schatten der Diskussion. Die gesellschaftlichen Umbrüche lassen aber eine heiße Debatte, wie sie in der Bioethik schon länger zu recht stattfindet, höchst notwendig erscheinen, immerhin ist das Recht auf Information und Privatsphäre auch in den Menschenrechten verankert und wird für eine kleine Zahl an Unternehmen mit Füßen getreten. Als fundierte Einführung in dieses Thema kann ich Birgit Beckers Buch „Musikpiraterie in digitalen Räumen“ nur wärmstens empfehlen. Christian Handke, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Humboldt-Universität Berlin: „Wenn ein verschärfter Urheberrechtsschutz für SonyBMG gut ist, muss dies noch lange nicht für kleinere Plattenfirmen, Künstler oder Konsumenten gelten. Politische Entscheidungsträger sollten keine Maßnahmen ergreifen, ohne die Interessen aller betroffenen Gruppen zu berücksichtigen“. (Handke, Christian: Indies im Aufwind? S. 68 in: Musikwirtschaft und Medien : Märkte – Unternehmen – Strategien / Hrsg. Beate Schneider… München, 2007)
Anmerkung: Derzeit läuft in der EU eine Gesetzesinitiative die Schutzfristen für Tonträger von 50 auf 95 Jahre hinaufzusetzen (http://www.heise.de/newsticker/EU-Kommissar-will-Urheberrechtsschutz-fuer-Musiker-verlaengern--/meldung/103529 (8.3.2009)). Vor allem die romanischen Länder plädieren dafür, Großbritannien, Deutschland, Österreich werden aller Wahrscheinlichkeit dagegen stimmen … Untersuchungen belegen, dass der Großteil der Musiker, vor allem Studiomusiker, die nur Einmalverträge bekommen, davon überhaupt nicht profitieren würden. Wer würde also wohl in erster Linie profitieren???
Verwendete Literatur:
©2009-2022 Anita Pravits • impressum